2011: Entschleunigung des Studiums und frischer Wind an der Uni Göttingen?!!

(Wären das auch die idealen Voraussetzungen für TU-Berlin Projektwerkstätten?)

Akademische Feier zur Übergabe des Präsidentenamtes der Universität Göttingen an Prof. Dr. Ulrike Beisiegel 10.1.2011

Auszüge aus ihrer Rede:
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Unsere Universität hat den eben von Herrn Krull schon genannten Leitgedanken ‚Freiraum für Neues Denken‘, und ich möchte diesen Gedanken in meiner Arbeit gerne sehr ernst nehmen.
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Universitäre Lehre muss auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen – sie muss ‚forschungsbasiert‘ sein. Diese Forderung kann nur erfüllt werden, wenn Universitäten auch hervorragende Forschungseinrichtungen sind, die ihren Mitgliedern, wie Sie, Herr Krull, es bereits in hervorragender Weise formuliert haben, Zeit und Muße geben, um die komplexen Zusammenhänge durchdenken zu können. Mein Ziel für unsere Universität ist es daher, mit einer gezielten Entschleunigung im Prozess der Wissenschaft den Raum für kreatives Arbeiten zu geben sowie die Zeit zur Korrektur der unvermeidlichen und oftmals keineswegs kleinen Irrtümer. Dadurch können wir die Qualität der Wissenschaft deutlich steigern.
Wolfgang Frühwald, der von mir sehr geschätzte ehemalige DFG-Präsident, hat dazu gesagt: ‚Die Entschleunigung des notwendig von Irrtümern begleiteten Prozesses der Wissenschaft ist eine Aufgabe geworden, die anderen Weltproblemen (Klima, Energie und Wasserprobleme) in nichts mehr nachsteht‘.

Es bedarf jetzt des Mutes, entsprechend diesen Einsichten und der DFG-Initiative zur Qualität der Forschung sich dem überhöhten Publikationsdruck zu entziehen und in den Forschungsprojekten und Anträgen wieder die wirkliche Substanz des neuen Wissens in den Vordergrund zu stellen. Herr Frühwald sieht in seinem bereits oben zitierten Beitrag zur ‚Universität am Scheideweg‘ (in Forschung und Lehre) einen gesellschaftlichen Trend, der auch auf die Wissenschaft übergegriffen hat. Nämlich dass ‚Performanzfaktoren in den Forschungs- und Bildungsmärkten der Welt in fast unerträgliche Ausmaß zugenommen haben‘. – Er beschreibt diese Tendenz mit dem Begriff der ‚Bluffgesellschaft‘.
[...]
Ein solches Ausscheren aus der eben von Herrn Krull beschriebenen dynamischen Entwicklung in allen Gesellschaftsbereichen ist keine einfache Aufgabe, doch haben mir viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen und Diskussionen in den Wissenschaftsorganisationen gezeigt, dass der zeitliche Druck im Wissenschaftssystem ein ernsthaftes Problem für die grundlegende Forschung darstellt und sehr viele Menschen heute bereit sind, sich gegen diese Entwicklung zur Wehr zu setzen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele von Ihnen den Mut finden, mich auf diesem Weg zu begleiten.

Die Realität an vielen deutschen Universitäten ist in einer ‚organisationstheoretischen Analyse‘ von den Betriebswirtschafts-Professoren Scholz und Stein im letzten Heft von ‚Forschung und Lehre‘ als ‚präsidialer Feudalismus‘ beschrieben worden. Und die Frage der Organisationsform unserer Universitäten erfordert meines Erachtens tatsächlich eine ernsthafte und intensive Diskussion.

Ich möchte daher in unserer Universität ganz im Sinne von Herrn Mackschies eine ‚wissenschaftsgeleitete korporative Leitungsstruktur‘ leben, für die die Fakultäten mit ihren Professorinnen und Professoren und allen Forschenden und Lehrenden gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Studierenden den Kern der Universität bilden – und für die wir als Präsidium und Verwaltung den geeigneten akademischen, administrativen und finanziellen Rahmen geben. Dabei müssen wir, wie Herr von Figura bereits angesprochen hat, Wege finden zu einer Reduktion des administrativen Aufwands; also weniger Formalitäten, um mehr Raum für kreatives Lernen, Lehren und Forschen zu geben.

Quelle & Videos: http://www.uni-goettingen.de/de/202324.html
(Empfehlung: erst das Video der Rede von Dr. Krull ansehen!)

Download der PDF Version: 2011_Entschleunigung_d_Studiums_Uni-Goettingen.de_TU-Berlin.de_Projektwerkstaetten.pdf


 

Positives Beispiel aus der aktuellen Praxis in Göttingen

Zertifikatsprogramm Hochschuldidaktik - Eigenes Lehrprojekt: Botanisch-mikroskopische Übungen für Studierende der Agrarwissenschaften

Bei der Veranstaltung handelt es sich um die neu geschaffenen Botanischmikroskopischen Übungen für Studierende der Agrarwissenschaften. Sie wird seit dem Wintersemester 2010/11 im ersten Semester Bachelor Agrarwissenschaften begleitend zur Pflichtvorlesung Biologie der Pflanze als Wahlpflichtangebot angeboten.
[...]
Neben den oben genannten Lernzielen war es durchaus Ziel der Veranstaltung Freude an der Botanik und ihrer Ästhetik zu vermitteln, sowie eine weitere praktische Veranstaltung in das hauptsächlich theoretische Grundstudium dieses Bachelorstudienganges einzuführen. Durch das lange selbständige Mikroskopieren und Zeichnen während der Kurstage tritt außerdem eine gewisse Entschleunigung ein. Ruhe, selbständiges Arbeiten und Beobachtung haben Vorrang vor maximaler Wissensvermittlung. Da wir fast immer von ganzen lebenden Pflanzen ausgehen findet ein Lernen mit allen Sinnen statt. Farben, Düfte, Textur, Geschmack und eben das meist sehr ästhetische mikroskopische Bild ergänzen sich mit den Vorkenntnissen der Studierenden aus ihrer eigenen Erfahrung und aus der Vorlesung.

Quelle: http://www.uni-goettingen.de/de/219484.html


Ein paar Quellen und Gedanken die relevant sein könnten:
- Kritische Analyse/ Ökonomisierung der Hochschulen: Jochen Krautz (2007): http://www.societyofcontrol.com/pmwiki/k2ao/uploads/Main/Krautzoekonomis...
- Still- und Ruheräume (gibt´s an allen Unis): TU Berlin: http://www.tu-berlin.de/?id=72626
- Thema offene Räume...
- Japan ist bekannt für extreme Arbeitsethik - Entspannen in der Öffentlichkeit ist üblich: http://de.wikipedia.org/wiki/Tagschlaf
- An der Uni Biberach gab es 2011 eine Veranstaltungsreihe zum Thema: ftp://ftp.fh-biberach.de/pub/www/presse/PM_SG_Entschleunigung.pdf
- Vielleicht ist das auch ein Anlass, den Alternativen Campusplan bekannt zu machen und ggf. zu aktualisieren?
- Einladungsverteiler - Ideen: InSeL für Selbstbestimmtes Lernen, IPU, ASten SozRef, SozIni, kubus homepage, Stressfaktor, BUNDjugend